Lark Rise to Candleford

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Lark Rise to Candleford ist eine Zusammenstellung von drei autobiographischen Romanen von Flora Thompson, die in fiktionalisierter Form eine Sozialgeschichte der ländlichen Bevölkerung Oxfordshires am Ende des 19. Jahrhunderts darstellen.

Gegenstand und Charakter der Darstellung

Dabei schildert sie als einzige Autorin dieser Zeit sowohl das Leben in Weiler, Dorf und Kleinstadt und nicht nur das individuelle Leben, sondern auch das der Gruppen.[1] Das Besondere an Thompsons Darstellung ist, dass sie alle Personen und Verhältnisse mit Sympathie darstellt, ohne irgend etwas heimattümlich zu beschönigen.[2]

Die soziale Situation im Weiler kennzeichnet sie mit dem Bild einer von Not und Mangel belagerten Festung, die deren Ansturm nur mit Hilfe strenger Sitten und sozialer Kontrolle standhalten kann. Als kennzeichnendes Beispiel dafür berichtet sie von der kleinen ökonomischen Revolution im Weiler, als ein Bierhändler das Monopol des Pubs bricht, indem er den Haushalten ihre eigenen Bierfässer liefert. Dass führt dazu, dass nicht nur die Männer täglich ein Bier[3] im Pub trinken, sondern in der emanzipierteren häuslichen Situation gelegentlich auch die Frauen (sonst war das nur zu hohen Festtagen vorgekommen) und dass die Männer gelegentlich auch mehr als ein Glas trinken. Binnen kurzem erweist sich, dass damit das Haushaltsbudget des Durchschnittshaushalts trotz des niedrigeren Bierpreises weit überfordert ist. Wegen der Zahlungsschwierigkeiten seiner Kunden gibt der Bierhändler daher seine Lieferungen auf. Das alte Vorrecht der Männer auf Alkohol und das Monopol des Pub kehren wieder zurück. So ist der Angriff des Fortschritts auf das prekäre finanzielle Gleichgewicht der landlosen Landarbeiterfamilien abgewehrt worden.

Andererseits erhält Thompsons Darstellung nicht die Form einer sozialen Anklage, vielmehr zeichnet sie im Bewusstsein, welche Kultur damals verloren ging, genau die aussterbenden Bräuche der agrarischen Welt auf. So berichtet sie, dass die Landarbeiter begeistert "God bless the people's William" sangen, weil Gladstone ihnen anders als die Konservativen ihre Sache zu vertreten schien, und dass ein Dreiundachtzigjähriger noch aus mündlicher Familienüberlieferung die 1776 erstmals schriftlich festgehaltene Volksballade "An outlandish knight"[4] vortrug, die man freilich nur aus Respekt vor seinem Alter anhörte. Diese Gesänge, die die Pubbesucher noch in einer Gemeinschaft vereinigten, sieht sie als Zeichen der "verlorengegangenen Kunst, mit Wenigem glücklich zu sein."[5]

Textauszug

Zitat
Oxford war nur 19 Meilen entfernt. Die Kinder aus dem Endhaus wussten das, denn als sie klein waren, hatte ihre Mutter sie oft zu einem Spaziergang zur Landstraße mitgenommen, und sie gingen niemals an dem Meilenstein vorbei, ohne dass ihnen die Inschrift vorgelesen worden wäre: Oxford XIX Meilen.

Sie fragten sich oft, wie es in Oxford sei, und fragten auch andere danach. Eine Antwort war, es sei eine ganz große Stadt, wo ein Mann 25 Schilling in der Woche verdienen könne, aber da er beinahe die Hälfte davon für die Hausmiete zahlen müsse und nirgendwo ein Schwein halten und viel Gemüse anbauen könne, wäre er ein Narr, wenn er dorthin ginge.

Ein Mädchen, das wirklich einmal zu Besuch dort gewesen war, sagte, man könne dort eine große rosa-weiße Zuckerstange für einen Penny kaufen und einer der Mieter ihrer Tante habe ihr fürs Schuheputzen einen ganzen Schilling gegeben.

Ihre Mutter sagte den Kindern, Oxford werde City genannt, weil dort ein Bischof lebe, und dass dort jährlich ein großer Jahrmarkt gehalten werde, und das schien alles zu sein, was sie darüber wusste.

[...] So war Oxford für sie einige Zeit ein Schemen von Bischöfen (sie hatten ein Bild von einem Bischof, der mit weiten weißen Ärmeln auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne saß, gesehen), von Schaukeln, Schaubuden und Kokosraspel (denn, was ein Jahrmarkt war, wussten sie) und kleinen Mädchen, die rosa-weiße Zuckerstangen lutschten und Schuhe putzten. Aber sich einen Ort ohne Schweineställe und Gemüsegärten vorzustellen, war weit schwieriger. Ohne Speck und Kohl, was sollten die Leute dann essen? [...]

Obwohl es die Hauptstraße war, gab es dort kaum Verkehr, denn die Marktstadt lag in entgegengesetzter Richtung, das nächste Dorf lag in fünf Meilen Entfernung, und mit Oxford gab es aus so großer Entfernung in diesen Tagen der Pferdewagen keinen Verkehrsaustausch über die Straße [...]

Zu dieser Zeit war sie ganz verlassen. In drei Meilen Entfernung donnerten die Züge über eine Eisenbahnbücke, in denen die fuhren, die - hätten sie einige Jahre früher oder später gelebt - die Straße benutzt hätten. Die Leute sagten, es werde viel zu viel Geld für Straßenindstandhaltung ausgegeben, denn deren Zeit sei vorüber, sie würde nur noch für Leute gebraucht, die von einem Dorf zum anderen wollten.
F. Thompson:Lark Rise to Candleford. "A Hamlet Childhood"

Fragen:

  1. Weshalb wissen die Kinder so wenig über Oxford?
  2. Weshalb versuchen sie nicht, sich anders zu informieren als dadurch, dass sie Leute befragen, die offenbar selbst kaum etwas darüber wissen?
  3. Weshalb wurden die Straßen nicht mehr benutzt?
  4. Weshalb wurden sie später wieder benutzt?
  5. Oxford war 19 Meilen entfernt. Was sagt das über den damaligen Berufsverkehr und über den Allgemeinverkehr in dieser Gegend?
  6. Auf welche Zeit bezieht sich der Text und wann wurde er frühestens geschrieben?

Bearbeitungen

Keith Dewhurst hat nach diesen Romanen die Theaterstücke Lark Rise und Candleford geschrieben, die 1978/79 am National Theatre London aufgeführt wurden. 2008 wurde eine Fernsehserie von 10 Folgen nach diesem Roman ausgestrahlt.[6] Eine zweite Sequenz soll im Mai 2008 produziert werden.

Fußnoten

  1. "none of these authors singly achieved the triple revelation of the hamlet, the village, and the market town" H.J. Massingham 1944 in der Einleitung zu Lark Rise to Candleford, Penguin Books Oxford 1981, S.8)
  2. „She is the recorder of hamlet, village and country town who was of them but retached from them, and whose observation of their inmates by intimacy by no means clouded precision of insight and objective capacity” H.J. Massingham 1944 in der Einleitung, S.8
  3. half pint
  4. Diese Ballade verbindet das Blaubartmotiv mit dem Judithmotiv des Tyrannenmordes (http://www.contemplator.com/child/outland.html)
  5. "Die Sänger waren roh und ungebildet und so arm, wie man es sich heute gar nicht mehr vorstellen kann, aber sie verdienen, dass man sich ihrer erinnert, denn sie verstanden sich auf die heute verlorengegangene Kunst, mit Wenigem glücklich zu sein." F. Thompson: Lark Rise to Candleford, Lark Rise to Candleford, Penguin Books Oxford 1981, S.75
  6. Diese ist jetzt auch als DVD erhältlich: http://www.thenewpink.co.uk/2008/04/09/lark-rise-to-candleford-on-dvd/

Weblinks